Es ist der Irrtum des Bürgertums: Sein privates Vermögen als Festung, Insel, einen unsinkbaren Flugzeugträger zu betrachten, das der Gesellschaft entzogen wäre und einem wirklich ganz alleine gehört. Sozusagen ein eigener Staat, auf dem man autonom und autark leben und überleben kann, idealerweise ohne noch dafür arbeiten zu müssen.
Als ob das überhaupt gehen könnte. Als ob eine Gesellschaft einer exponentiell wachsenden Zahl von Leistungsträgerenkeln diesen Traum verwirklichen und dabei funktionsfähig bleiben könnte.
"Vermögen" ist in der Regel die Illusion, irgendwann in Zukunft auf Waren, Dienst- und Arbeitsleistungen zugreifen zu können, die mindestens so wertvoll sein werden wie die Leistung, die man zum Aufbau dieses Vermögens erbracht hat.
Das hatten die antiken oder mittelalterlichen Stadtbürger den heutigen voraus: Dass sie genau wussten, dass es auf der Welt keinen "sicheren Hafen" gibt und auch ihre Stadtmauern nur eine relative Sicherheit gewähren. Dass ihr Wohlstand von kluger Politik abhängt, die wiederum Kompromisse erfordert. Dass der Herrgott einem alle Reichtümer schwupp wieder nehmen kann.
Diese ständige "Vanitas"-Bilder sprechen ja nicht nur für religiöse Gefühle, sondern auch für politische Klugheit. .
Mit einem Wort, sie wussten, dass sie, egal wie reich sie sind, immer abhängig bleiben würden. Abhängig von der politischen Großwetterlage, vom Wetter auf der hohen See, der guten Laune der Mitmenschen und der politischen Klugheit der nachfolgenden Generation. Es ist diese Abhängigkeit, welche sich der heutige Geldbürger nicht eingestehen will. Diese narzisstische Phantasie, sein Vermögen könne ihm auf alle Zukunft Unabhängigkeit verschaffen. Dass man, wenn man nur über ein großes Vermögen und eine solide Anlagestrategie verfügt, keine Gesellschaft mehr nötig hätte.